UERDINGER GESCHICHTE(N)

Eine Villa im Herzen von Uerdingen

Nina Schirmer und ihr Partner Peer Hannig sind die neuen Besitzer:innen einer ehemaligen Fabrikantenvilla in Uerdingen. Auf Instagram präsentieren sie ihren über 6.000 Followern den Fortschritt ihrer Sanierung und machen damit die Historik hinter der Fassade für alle zugänglich.

Nina Schirmer ist eine freundliche und offene Frau. Und das nicht nur auf Instagram, sondern auch im virtuellen Gespräch. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Peer Hannig und drei Kindern sind sie die neuen Besitzer:innen der einstigen Fabrikantenvilla am Wallgarten. Das Objekt, um das es sich hier handelt, ist kein klassisches Einfamilienhaus und von innen sowie außen denkmalgeschützt. Die Auflagen, welche damit einher gehen, sind hoch. Warum also tut man sich das an? „Während unserer Suche nach Eigentum waren wir nicht festgelegt und wollten schauen, was sich so ergibt“, sagt sich Schirmer. Ihr Partner sei es gewesen, der Lust auf ein richtiges, gemeinsames Projekt hatte.

 

Im März 2021 sah sich das Paar die Villa zum ersten Mal an. 24 Jahre lang stand das Haus leer und war dementsprechend in Mitleidenschaft gezogen. „Und wir waren ziemlich schnell verliebt“, erinnert sich Schirmer. Aber auch Uerdingen hinterließ bei den beiden Betriebswirt:innen einen positiven Eindruck. „Wir finden, es gibt hier einen sehr, sehr hohen Freizeitwert und alle waren so wahnsinnig nett“, erzählt die 37-Jährige, die sich Uerdingen gemeinsam mit ihrer Patchwork-Familie mit dem Fahrrad erschloss und ergänzt ein wenig später: „Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um als Familie so ein Haus zu kaufen. Aber unsere Eltern wohnen weiter weg, und vielleicht wird das mal eine Art Mehrgenerationenhaus.“

 

Optimismus und Weitsicht sind etwas, dass sich im Gespräch auf angenehme Art nahtlos durchzieht. Denn das Gute sei ja, so Schirmer, dass die Villa während des Dornröschenschlafs minimal geheizt wurde und auch niemand etwas zerstören konnte. Demnach stammen die Böden, der Stuck an den Decken, die alten Türen und Treppen überwiegend aus der Ursprungszeit. „Aber natürlich haben wir uns vorerst mit den Behörden abgestimmt: ‚Was darf man überhaupt?‘ und haben dann gesagt: Wenn uns kein Architekt sagt, dass das, was wir vorhaben, nicht geht, trauen wir uns das Projekt auch zu!“

 

                                                         Relevanz für die Stadtgeschichte Uerdingens

 

Erbaut wurde die ehemalige Fabrikantenvilla im Jahr 1915 von dem königlichen Kommerzienrat und Fabrikant Friedrich Ludwig August Büttner. Der Architekt war Friedrich August Breuhaus de Groot. „Und dieser war mit der Tochter des Bauherrn, dem Fabrikanten Büttner, verheiratet“, weiß Schirmer. Der Stil des Hauses an sich ist eine Vorstufe zum Bauhaus. Dazu gehört auch die Verwendung regionaler Baustoffe und der Verzicht auf übermäßigen Dekor zugunsten zurückhaltender Ornamentik sowie die Backsteinfassade. Neben diesen bauhistorischen Aspekten ist das Gebäude jedoch auch für die Stadtgeschichte Uerdingens relevant. Denn es ist eines der ersten Häuser außerhalb der alten Stadtmauer, mit denen Uerdingen damals nach Süden hinaus erweitert wurde.

 

Insgesamt gibt es hier auf 650 Quadratmetern und drei Stockwerken zwölf Zimmer, mehrere Küchen und Bäder. „In der Villa müssen damals auch Mitarbeiter gewohnt haben“, meint Schirmer, die aufgrund des originalgetreuen Bestandes eine klare Aufteilung von repräsentativen und verborgenen Räumen erkennen kann, beispielsweise durch eine versteckte Tür unter der Treppe, welche einen Zugang zur Küche bietet. „Und dort gibt es weder schöne Türen noch Stuck oder Parkettboden. Die Herrschaften, welche für die feinen Herren gearbeitet haben, lebten hier sehr zweckmäßig. Auch das zweite Obergeschoss ist vergleichsweise bescheiden“, so Schirmer, die von Beginn an sehr an der Historie des Hauses interessiert war.

 

Während ihre Recherche im Stadtarchiv eher enttäuschend ausfiel, konnte sie auf die Hilfsbereitschaft und Kompetenz der Uerdinger:innen zählen. Der Heimatbund sowie Horst Peterburs ließen ihr alte Bilder, Postkarten und Dokumente zukommen. Diese sollen später in einem Raum im Erdgeschoss aufgehängt werden, um eine plastische Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart darzustellen.

 

                                                        Die Freude über das, was wir entdecken, überwiegt

 

„Wir planen gerne und haben richtig Spaß daran zu überlegen, was man erhalten oder auch kombinieren kann“, erzählt Schirmer. Dies sei nicht für jede:n Handwerker:in einfach. „Es gibt aber auch welche, die sagen: ‚Eigentlich baue ich nur Heizkörper, aber an so einem Projekt bin ich gern beteiligt‘“. Darüber freut sich Schirmer besonders und erzählt von überraschenden Funden, altem Parkett, welches sie unter unspektakulären Fliesen entdeckt hätten. Bisher überwiegt die Freude darüber die negativen Dinge, welches beispielsweise ein statisches Problem im Dach ist.

 

Trotzdem seien die Beiden noch immer entspannt. „Wir sind total motiviert, dass es am Ende unser Traumhaus wird, obwohl wir jetzt schon hinter dem Zeitplan liegen“, so Schirmer lachend. Denn man begegne doch immer wieder Dingen, die man so nicht geplant oder vorher nicht berücksichtigt hätte, schlicht, weil man es einfach nicht wusste. Es ist ein ambitionierter Plan: Anfang September möchte die Familie in das zweite Obergeschoss ziehen. Absolutes Ziel sei es, Weihnachten in den Räumlichkeiten unten feiern zu können. „Es gibt Handwerker, die sagen, das wird viel schneller gehen und es gibt Leute, die kommen rein und sagen ‚Ach Du meine Güte, das wird viel länger dauern!‘“, erzählt Schirmer. Die Umbauphase mag auf die Ein oder Andere auf den ersten Blick abschreckend wirken. „Ich glaube, schlimmer als jetzt wird es kaum mehr aussehen“, sagt Schirmer und ergänzt: „Jetzt ist alles staubig, alle Böden sind abgedeckt mit Span-Platten, damit diese erhalten bleiben.“ Vieles von dem Schönen sei optisch gerade verloren gegangen, weil es auch geschützt werden müsse. Niemals verloren geht Schirmer wohl der Optimismus, denn dieses Thema schließt sie folgendermaßen ab: „Es ist jetzt glaube ich der Tiefpunkt, bevor es anfängt, an den Aufbau zu gehen.“

 

Hilfe erhält das Paar auch durch das Netzwerken mit anderen Baupaaren. „Ich bin keine Influencerin“, sagt Schirmer. Tatsächlich habe sie aber vor Kauf des Hauses recherchiert, welche Blogs es gebe, wo man sich austauschen könne. „Wenn wir das Haus bekommen, mache ich auch den Account, und wenn wir bis Jahresende 1000 Follower haben, mache ich weiter!“, sagte sie zu ihrem Partner. Mittlerweile folgen ihr über 6000 Accounts und es gebe viele, mit denen sie rege schreibe und Erfahrungen austausche. Auch Handwerker:innen folgen ihr über Instagram und bedanken sich selbst für Informationen, die für sie nicht direkt relevant seien. Einfach, weil es ein schönes Projekt sei, bei dem man gern mitfiebert und stolz ist, ein Teil des Ganzen und stets up to date zu sein. Das schätzen auch die Familie und Freund:innen.

 

Zu der Villa gehört ein knapp 1.400 Quadratmeter großer Garten, dieser enthält neben einem Fachwerkgartenhaus mit Kamin alte Rotbuchen und eine alte Magnolie, die vermutlich ebenfalls über 100 Jahre alt ist und auf die es bisher von außen keinen Blick gab. Nach dem Abriss eines Küchen-Anbaus ist die Ansicht mittlerweile auch von außen frei, und bietet auch analog ein kleines, gemeinschaftliches Projekt. Mit viel Liebe und Lust fürs Detail. Einen Namen hat das Haus auch schon: Villa la Magnolia.

 

Text: Nina Höhne

Fotos: privat, Nina Schirmer

Instagram: Villa_la_Magnolia

 

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