Großer Bahnhof für Uerdingen und die Spielfreunde

So etwas wie den Bahnhof haben die Spielfreunde Uerdingen lange gesucht. Denn früh war klar, dass ihr Vereinslokal an der Hohenbudberger Straße nicht ewig würde bestehen bleiben können. „Wir haben es 1994 bezogen und 1998 sagte man uns, wir müssten raus – wegen Rheinblick!“ erzählt Christian Horn, erster Vorsitzender des Vereins. Da war man sich einig: „Das nächste Vereinsheim soll unser Eigentum sein.“ Und der damalige Kassierer Thomas Wagner fing an, die notwendigen Rücklagen zu bilden. Aber so einfach war es nicht: „Ein Raum, wo ein Tambour- und Fanfarenchor proben kann ohne in Konflikt mit der Nachbarschaft zu geraten?“ benennt Horn das Dilemma. Umso erfreuter waren die Verantwortlichen, als sich endlich der Bahnhof anbot. „Das war 2017“, erinnert sich Horn.

Der Investor, der damit einen Gastronomiebetrieb geplant hatte, wollte aussteigen. „Aber da stand der Bahnhof schon 9 Jahre leer“, schaltet sich Mario Diedam ein. Er ist der zweite Vorsitzende und kennt als „Bauleiter“ die Herausforderungen des Gebäudes aus dem Jahr 1899. Die Bäume, die in den Mauerritzen wuchsen, der Obdachlose, der hier sein Zelt aufgeschlagen hatte, das alles schreckte sie nicht. „Das frühere Vereinsheim haben wir uns auch erst zurecht machen müssen“, winkt Diedam ab, „in Eigenleistung, da machen alle Mitglieder mit“. Aber der Schimmel im Keller. „Den haben wir von einem Baubiologen begutachten lassen.“ Und der gab Entwarnung. „Kein Hausschwamm! Sonst hätten wir die Finger vom Bahnhof lassen müssen.“

Die nächste Hürde: die Finanzierung. Zwar hätten die regelmäßigen Einnahmen aus den Auftritten die Summe locker abgedeckt, aber die Bank bestand darauf, dass die Raten aus den Mitgliederbeiträgen beglichen werden können. „Das hätte teilweise eine Erhöhung um 100 Prozent bedeutet. 70 statt 35 Euro Jahresbeitrag für die passiven Mitglieder. Wir fürchteten einen massenhaften Austritt“, erinnert sich Horn. „Das Gegenteil war der Fall!“ Jetzt haben sie 200 passive Mitglieder – viel für einen Tambourcorps. Es gab und gibt Menschen, die das Engagement des Vereins für Tradition, Kameradschaft und Respekt und insbesondere den Erhalt des Bahnhofs unterstützen wollen. „Dann kam Corona“, sagt Horn und ist froh über die von außen angestoßene Entwicklung, denn in diesem Jahr gab es nur acht statt der 80 Auftritte im Karneval.

So können sie beruhigt renovieren, umbauen und fleißig weiter proben.

 

Der ehemalige Wartesaal 2. Klasse bietet mit rund 80 Quadratmetern Platz ideale Bedingungen für die 40 Aktiven, die sich hier regelmäßig Freitagabends zusammen finden. Malermeister Mario Diedam hat zusammen mit den vielen bauarbeitenden Mitgliedern schallschluckende Elemente an den Wänden angebracht. „Wir haben eine perfekte Akustik“, bestätigt Christian Horn. Damit kein Lärm nach außen dringt, haben sie sich für Lärmschutzfenster entschieden. „Holzfenster“, sagt Diedam. Ein Kostenfaktor, aber die Denkmalschutzbehörde hat darauf bestanden. „Mit der haben wir uns ständig und eng abgestimmt“, berichtet er. „Denn wir wollen das historische Gebäude ja auch für die Uerdinger Bevölkerung erhalten.“

Im Wartesaal erster Klasse lädt eine Theke zu Treffen und gemütlichem Plausch. „An der haben schon viele Uerdinger gestanden“, berichtet Diedam. Er hat sie an Land gezogen, als die Gaststätte Am Wallgarten aufgelöst und das Mobiliar verkauft wurde. „Da haben wir noch ein Stück Stadtgeschichte in unser Vereinsheim integriert“, freut er sich. Der Raum beherbergte nach dem Krieg eine Bahnhofgaststätte und eine Rockerkneipe. Die Bleiglasfenster blieben unbeschädigt, wenn auch von unten von einer dicken Nikotinschicht bedeckt. Heute sind sie sauber restauriert und gut beleuchtet Schmuckstück und Blickfang. „So etwas gibt es normal nur in Kirchen“, berichtet er von einer Auskunft, die die Spielfreunde von der Forschungsstelle für Glasmalerei bekommen haben.

Auch der Boden im Eingangsbereich aus Villeroy & Boch-Fliesen ist sehenswert. Und der Raucherbereich, der mit Sitzen aus ICE-Zügen möbliert ist. Und der Toilettenbereich „vom feinsten“ wie ein Besucher bescheinigt. Und es gibt noch viel zu tun: In dem Bereich, in dem früher eine Taxizentrale untergebracht war, wird ein Behinderten-WC entstehen, eine Kleiderkammer und zwei Räume für Einzelproben. Da Proben immer nur abends stattfinden, können sich die beiden Vorsitzenden auch vorstellen, dass zu anderen Tageszeiten andere Interessierte im Bahnhof unterkommen. Sie meinen es ernst mit dem „Bahnhof für Uerdingen.“

Weitere Infos auch zu Instrumenten und passiver Mitgliedschaft unter www.spielfreunde-uerdingen.de

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