KOLUMNE
„GEHT DOCH!“
Ein Meinungsbeitrag von Susanne Böhling
„Geht doch!“ Denkt man sich. Auch wenn über die Drehbrücke am Krefelder Hafen erst mal noch wenig geht. Kraftfahrzeuge müssen schon jetzt den Umweg über die Hafenringstraße und die Römerstraße nehmen, damit sie saniert werden kann. Sie wird sandgestrahlt, bekommt neuen Rostschutz, wird neu beplankt … Bis Juni ist sie noch drehbar und Fußgänger wie Radfahrer können sie passieren. Dann wird sie bis zum Abschluss der Arbeiten im September komplett gesperrt. „In di ser Zeit wird die Brücke von unten renoviert“, sagt der Hafenmeister Peter Plarre und ergänzt liebevoll: „Die alte Dame wird hübsch frisiert.“ Auch seine Chefin, die Geschäftsführerin der Hafengesellschaft, Elisabeth Lehnen, nennt sie so, wie man es für ein Ding aus Eisen, Holz, Asphalt, angetrieben von zwei kleinen Motoren, nicht vermutet.
Als Lehnen 1992 Geschäftsführerin wurde, hätte man sie am liebsten beerdigt. Die Rufe nach Abriss oder Ersatz waren sehr laut, ist sie doch so schmal, dass sie nur in eine Richtung gleichzeitig befahren werden kann. Ein Nadelöhr, dass der Vermarktung weiterer Flächen und der Nutzung des Hafens entgegenstand. „Ein Problem“, erinnert sie sich. Solche Probleme stehen öfter rum, in Uerdingen zum Beispiel das Wasserwerk, in Krefeld das Stadtbad an der Neusser Straße. Noch viel öfter standen sie herum und wurden kurzerhand beseitigt. Man wähn- te sich in der Gewissheit, dass die Zukunft der autogerechten Stadt gehöre. Dieser Vision, fielen viele bedeutende Gebäude zum Opfer, die den Krieg glücklich überlebt hatten. Dort, wo in Krefeld die prächtigen Markthallen standen, ein Jugendstilgebäude, an dass sich ältere Bürger mit großer Wehmut erinnern, umrundet jetzt die quietschende Straßenbahn einen öden Kreisverkehr auf ihrem Weg von der Sternstraße auf den Nordwall und umgekehrt. Jetzt, wo man weiß, dass die Illusion von der autogerechten Stadt einem Wahn entsprungen ist, wo der Fortschrittsglaube empfindlichste Dämpfer erhalten hat, wo man weiß, dass die Stadt für die Menschen da sein sollte und nicht für die Autos, kämpft man um solche identitätsstiftenden Bauten.
Die Drehbrücke hat den Kampf gewonnen. Man bewundert ihre Technik, die auf den ersten Blick primitiv erscheinen mag. Sind es doch zwei kleine, nur 30 PS-starke Motörchen (hat heute nicht jeder Rasenmäher mehr Leistung?), die sie bewegen. Sie funktionieren seit der Eröffnung der Brücke im Jahr 1905 und lassen sich auch heute noch reparieren. Einer hebt, der andere dreht. Baugleich sind sie. Ist einer defekt, kann man den anderen umhängen und die Brücke lässt sich trotzdem öffnen, Schiffe können passieren. „Zur Not könnte man sie auch von Hand bewegen“, erzählt Plarre begeistert. Wobei er das gern Menschen überlassen würde, die hartes Training gewöhnt sind. Geöffnet werden muss die Brücke meist nur einmal in der Woche, wenn das Tankschiff mit Gas kommt. Nur bei Hochwasser muss er öfter auf den Mittelpfeiler, von wo aus sich der Drehmechanismus starten lässt. „Das wird eine der kommenden Investitionen“, sagt Lehnen, „dass sie vom Büro des Hafenmeisters aus bedient werden kann.“
Bereits seit 2007, als die damals noch städtische Hafengesellschaft einen Partner suchte, war der Erhalt der Brücke besiegelt. Seit sich die vier für Krefeld-Uerdingen zuständigen Bundestagsabgeordneten parteiübergreifend für sie einsetzen, steht auch die Finanzierung der Sanierungsarbeiten.
Die alte Dame wird also weiter ihren Dienst tun und ihre Betrachter entzücken. So wie 1905 wird nämlich schon lange nicht mehr gebaut, als technischer Fortschritt ein elegantes Gewand tragen durfte. Man fragt sich natürlich, warum das so lange gedauert hat. Ob erst die Einsicht reifen musste, dass Altes einen Wert hat, Bauwerke ebenfalls ein Teil von Heimat sind und schützenswert sind? Ob es erst das Geld war, das für den Erhalt locker gemacht werden musste? Und man ist froh, dass die Brücke darauf geduldiger gewartet hat als alte Damen (und Herren) an der Supermarktkasse.